Der Digitalgipfel: Merkel liegt diesmal richtig im Neuland

Es ist wieder so weit, Deutschland formiert von ganz oben einen „neuen Bereich“ und schmeißt mit Geld um sich, wenn auch in begrenztem Maß. Diesmal hat die Bundeskanzlerin Merkel mit Ihrem Spruch zum “noch nicht durchschrittenen Terrain“ ins Schwarze getroffen. Ja, der Computer ist angekommen, er wird benutzt, doch der Überblick nach den ersten Schritten in die Informationstechnologie gerade im Mittelstand fehlt weiterhin. Wobei, was ist der Mittelstand? Der Betrieb in Baden-Württemberg mit 3000 Angestellten oder der KFZ-Meisterbetrieb in Thüringen, die große Schreinerei mit 30 Leuten?

Alles Bereiche, in denen schon heute viel Technik zum Einsatz kommt, doch der PC bucht, zeichnet, holt Informationen aus dem Netz und wickelt Bestellungen ab, und dann geht er nicht mehr. Ohne den Freund des Chefs, den Nachbarn oder den „PC-Spezialisten“ vor Ort steht das Ding erstmal, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, die durch ein Abschalten und Neustarten des Druckers behoben sind.

Das ist keine Phantasiegeschichte, sondern Realität in der ersten Dezemberwoche 2018 im Büro eines Mittelständlers, der täglich mit dem Datenauslesen aus Fahrzeugen, Bremsrückstellen per PC oder dem Regenerieren von Dieselpartikelfiltern mit dem PC zu tun hat.

Dabei ist es gerade der Fahrzeugsektor, der bereits sehr smart geworden ist und die Autonomen Fahrzeuge sind in aller Mund. Wandert der Blick in die nahe Zukunft des undurchschrittenen Terrains, dann werden Fahrzeuge mit Ampeln kommunizieren, ebenso wie Informationen für die eigene Route von vorausfahrenden Fahrzeugen beeinflusst werden und die Heizung zu Hause steuern. Fahrzeuge werden verstärkt im Sharingbetrieb genutzt und die Mobilität wird sich immer mehr auf den Ortswechsel und weniger auf die Fahrzeugauswahl konzentrieren. Städte wie Helsinki zeigen die Richtung auf. Künstliche Intelligenz wird dabei in Betrieb und Service sicher massiv Einfluss nehmen, aber ebenso die Automation und Datenschnittstellen. Wird der KFZ Meister wirklich in 20 Jahren noch seinen Betrieb führen können oder werden die autonomen, öffentlichen Fahrzeuge nicht viel mehr zentral zu Servicepunkten gesteuert und zumindest teilautomatisiert gewartet werden?

Wird die Schreinerei wirklich noch ihre Fensterprofile zeichnen und 20 Mitarbeiter in der Werkstatt aus Holzstangen die Rahmen fräsen oder wird nicht viel mehr ein schon heute verfügbare Mehrachsenmaschine die Teile fügefertig gesteuert von der Betriebs-KI bereitstellen?

Ja, wir haben viel zu durchschreiten, doch zuerst sollten wir uns ein wenig Gedanken über das Ziel machen und wie wir in Zukunft leben möchten. Der Bitkom richtet dabei den Blick in die entscheidende Richtung: Die Basis für all diese Entwicklungen sind Daten, Daten die strömen, ausgetauscht, kombiniert und sortiert werden und durch intelligente Systeme nach erlernten Mustern ausgewertet werden. Diese Daten sind weder Eigentum der Diensteanbieter, noch der Hersteller, auch wenn Audi Chef Stadler schon vor Jahren seinen Anspruch darauf gegenüber Google öffentlich vertreten hat.

Ja, Frau Bundesjustizministerin Katarina Barley, die Debatte um Datenschutz und Ethik muss jetzt geführt werden, denn die Daten gehören denen, die sie liefern, und niemand anderem!

Dies muss so grundsätzlich unseren gesellschaftlichen Weg ausmachen, denn letztendlich ist es eine Frage, in welchem Gesellschaftssystem wir leben wollen. Es geht dabei lange nicht nur um den Überwachungsstaat, sondern die Veränderungen im Leben der Menschen, wenn letztendlich jeder Teil der Privatheit ihn nackt, ja vollständig transparent für alle macht, die mit den Daten umgehen können. Und diese Daten sind voraussichtlich ewig nutzbar, denn endgültig gelöscht wird selten etwas. Es muss somit nicht die damit schon in Gefahr gesehene freiheitliche Grundordnung unseres Landes sein, die Anlass zum Handeln gebietet.

Die rechtliche Autonomie muss beim Nutzer liegen und Anbieter können gerne um diese Daten bei den Nutzern werben und Angebote unterbreiten, im Gegenzug für die Erlaubnis, sie für genannte Zwecke und ausschließlich dafür zu nutzen. Es braucht den bewussten und aufgeklärten Nutzer, es braucht ein Bildungssystem, das die Menschen fit macht für ein Leben, und nicht nur WLAN und Tablets an den Schulen.

Natürlich werden Anonymisierung und Pseudonymisierung genutzt werden, um auch bei Nutzungsfreigabe die Digitale Privatsphäre abzusichern.
Dass uns dabei das Wasser für die Schwimmbäder ausgeht, wie Herr Bitkom-Chef Achim Berg meint, ist kaum zu befürchten, denn schon heute zeigt sich, dass auch aufgeklärte Nutzer bereit sind, Daten zu liefern, wenn sie einen Vorteil darin erkennen können. Und Vorteile wird es viele geben, die Entwicklungen gehen rasant in so vielen Bereichen.

Was wir im Rahmen der Digitalisierung keinesfalls aus den Augen verlieren dürfen, sind die veränderten Erwerbsarbeiten. Ein Umbau des Arbeitsmarktes wird von der Technologie bestimmt werden und es wird letztendlich ein historischer Einschnitt sein, ähnlich der Einführung der mechanischen Webstühlen oder der Dampfmaschine. Denn es verändert in einem Bereich der letztendlich alle Branchen betreffen wird, so wie es mit der Bereitstellung von elektrischer Energie geschah. Ich gehe auch davon aus, dass auch meine Arbeit als Architekt selbst, im Bereich der kreativen Entwurfsphase, weitestgehend durch KI ersetzt wird. Technisch ist die Realisierung heute schon für mich denkbar.

Womit werden die Millionen Arbeitnehmer ihr Leben bestreiten? Umschulungen und Weiterbildung helfen da nur dem kleineren Teil der Betroffenen. Eines ist sicher:

Es wird weniger Notwendigkeit für menschliche Arbeit geben und sobald damit die Profite maximierbar sind, wird dies gemacht werden.

Wie gestalten wir eine Gesellschaft und wie finanzieren wir den Lebensstandard, den wir halten wollen? Und dabei wollen wir das doch neben der Energiewende leisten, die unser Land sicher noch fordern wird.Auch wenn wir letztendlich mit einer Zukunft ohne fossilen Energierohstoffen sicher billiger fahren, der Umbau wird teuer.

So zeigt der Digitalgipfel, dass wir uns ein grundsätzliches Bild von dem, was wir wirklich erreichen wollen, machen müssen. Wir müssen an die grundlegenden Strukturen des Steuersystems, des Sozialsystems bis hin zur Schule, Wirtschafts- und Energiepolitik, denn all diese Bereiche stellen die Zahnräder dar, die das Getriebe unserer Gesellschaft funktionsfähig machen, um das noch nicht durchschrittene Terrain im notwendigen Tempo zu erkunden und zu besiedeln.

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